Wortklauberei (42): Scheinriesen
Dabei passte ein anderer Begriff aus den alten Terrortagen besser, wenn der sich auch nicht mit gewaltfreiem Widerstand in Verbindung bringen lässt. Aber es bringt größere Nähe zum bisherigen Geschehen, wenn wir die sogenannte Letzte Generation als „Stadtguerillas“ bezeichnen. Denn sie wollen in Berlin und München Schwerpunkte schaffen. Außerdem entlarven ihre Forderungen sie als Kinder der Großstadt. Sie wollen das Neun-Euro-Ticket zurück: Städter sollen dafür belohnt werden, dass sie in der Stadt oder deren Umfeld wohnen und den Öffentlichen Personen-Nahverkehr direkt vor der Tür haben. Viel revolutionärer wäre die Forderung an den Staat gewesen, den Menschen auf dem flachen Land das Taxi bis zur S-Bahnstation zu bezahlen.
Auch die zweite Forderung auf den Transparenten – die nach Tempo 100 – schont die eigene Klientel in denStädten und belastet wieder das Drittell der Deutschen, die auf dem Land leben und dazu noch die Autofahrer, die ihr Beruf auf die Autobahn bringt.
Bleibt noch die Forderung nach Klimaschutz, erhoben vor möglichst vielen zum Stau genötigten Autofahrern. In diesen Wintertagen sitzen die in ihren Autos, mühsam warmgehalten von Verbrennungsmotoren, die unentgiftete Abgase emittieren, weil die Katalysatoren ihre Betriebtemperatur noch nicht erreicht haben. Nicht nur dem Klima, auch den Menschen vor Ort wird das nicht gefallen.
Wenn sie sich irgendwo festkleben, geht es dieser „Stadtguerilla“ offenbar nicht ums Thema, sondern um Bilder in den Städten, in denen die Demonstranten und möglichst viele Kameras kurze Wege zum Protest haben. So waren sie bisher schon erfolgreich und übertönten die Berichte über Energieprobleme, Einsparprogramme, Deckel und sogar über den russischen Angriffskrieg. Da verbeugt sich der Fachmann vor diesem geschickt eingefädeltem PR-Erfolg. Nur das Klima hat nichts davon. (Peter Schwerdtmann/cen)
Veröffentlicht am 03.12.2022