Die Transformation: Mit Kia in Walla Walla
Doch wir sind mit Kia nach Walla Walla gekommen, um eine Phalanx bemerkenswerter Automobile zu testen: Die vollelektrische Palette vom Niro Electric über EV6 und EV6 GT bis hin zum EV9. Daneben gibt es den Niro und Sportage als Plug-In-Hybrid – und für Puristen hat Kia den 204 PS starken Forte GT mitgebracht, einen Verwandten des europäischen Ceed GT und mit klassischer Handschaltung, eine kompakte Sportlimousine reiner Bauart.
Denn inzwischen ist Walla Walla ein Hot Spot der Weinkultur. In den 70ern und 80ern war die Region noch ein echter Geheimtip: Damals wurden erstmals Weingüter wie Leonetti Cellar, Woodward Canyon und L’Ecole auf die Region aufmerksam, zuvor hatten nur italienische Siedler im kleinen Stil Wein angebaut. Doch erst in den letzten Jahren ist die Region richtig bekannt geworden.
Was die Gegend so attraktiv macht, erklärt Jordan Hostetter: Der 42-Jährige gehört zu einer Runde von Experten, die uns auf Einladung von Kia während dreier Tage in die Feinheiten des Weinbaus und die Besonderheiten der Region einweihen. Vor neun Jahren hängte er seine Karriere als Politikberater in Washington/DC an den Nagel und schrieb sich an der Enology and Viticulture School in Walla Walla ein. Inzwischen berät Hostetter Weingüter, und er startet in Kürze sein eigenes Weinprojekt.
„Hier kommen unglaublich viele natürliche Faktoren zusammen“, erklärt Hostetter. „Der Boden ist relativ trocken und er besteht aus verschiedenen Lagen aus Schluff, die während der katastrophalen Fluten am Ende der letzten Eiszeit abgelagert wurden. Die großen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht sorgen dafür, dass die Trauben gut reifen können, ohne ihre Säure zu verlieren. Die Hügellandschaft erlaubt es außerdem, Weine in verschiedenen Höhen- und Neigungslagen anzubauen, und das insgesamt sonnige, warme und trockene Klima hilft dabei, komplexe Noten zu entwickeln. Der dichte Nebel, der in den kalten Monaten vom Columbia-Fluss kommt, hilft zusätzlich, die Trauben gesund zu halten.“
Der Tourismus in Walla Walla ist noch relativ neu. Denn der Ort liegt mehr als vier Autostunden von den Metropolen Portland und Seattle entfernt, während etwa das kalifornische Napa Valley quasi vor der Haustür San Franciscos liegt. Kia hat uns im modernen Eritage Resort untergebracht, erst 2018 eröffnet, mit viel Glas und dunklem Holz. Unsere Fahrtroute führt uns ins ebenso anspruchsvolle, eher klassisch gestaltete Abeja Resort, und zu einem der Abendessen sind wir ins Weingut Valdemar Estates geladen, geführt von Jesus Martinez Bujanda, der einer spanischen Winzerdynastie entstammt.
Wir lernen auch kleine Projekte kennen: Fiona Mak von Smak Wines hat sich ausschließlich auf Roséwein spezialisiert, Kelsey Itameri von der Ita Winery lässt uns am Herstellungsprozess für ihren sensationellen Rotwein teilhaben: Wir dürfen beim Pressen am Bottich mitarbeiten.
Die Weine aus Walla Walla gehören grundsätzlich zur oberen Preisklasse, mit Massenware aus Yakima oder dem Willamette-Tal, den bekannteren Anbaugebieten im amerikanischen Nordwesten, möchte man keinesfalls in Verbindung gebracht werden. Wir spüren, dass hier sorgfältig an Qualität und Ruf gearbeitet wird. Das passt inzwischen ganz gut zu Kia. Einst belächelt, setzte in den späten 90er Jahren eine Designrevolution ein, in der Folge mit Hochleistungsmodellen wie dem Stinger auch technisch-performant unterfüttert. Den finalen Durchbruch hat Kia mit der Elektrifizierung geschafft: So ist die EV6-Baureihe den europäischen Konkurrenten in vielen Punkten nicht nur ebenbürtig, sondern überlegen. Und mit dem eindrucksvollen EV9 strahlt erstmals die Formensprache von Chefdesigner Karim Habib auf. Übrigens wurde das SUV zum „German Luxury Car Of The Year“ gekürt.
Wir rollen mit einem Niro durch Walla Walla, das sich – parallel zur Entwicklung der Wein- und Tourismus-Industrie – zur hippen College-Stadt gewandelt hat. Stoppen an der Walla Walla Roastery (mit ihrem importierten Bremer Transporter), in dem gehobene Kaffee-Kultur gepflegt wird, und am Maple Counter Café, wo amerikanisches Diner-Food in ungewöhnlich anspruchsvoller Qualität zubereitet wird.
Und nehmen uns dann ein paar Stunden Zeit, um am Steuer des Forte GT die Fahrdynamik auszuloten: Auf den leeren Highways in Richtung der gewaltigen Palouse-Wasserfälle und in den langgezogenen Kurven der Blue Mountains. Von den Höhen dort kann man bei klarem Wetter die Vulkane der Kaskadenkette sehen, rund 300 Kilometer weit entfernt. Die kompakte Limousine macht Spaß: Nachdem sich die europäischen Marken verschworen haben, die Handschaltung aus den Autos zu werfen, haben wir schon beinahe vergessen, wie direkt, authentisch und leichtfüßig sich ein kompakter Verbrenner mit klassischer Sechs-Gang-Box anfühlt.
Im Südosten liegt ein weiterer Leckerbissen: Das Wallowa-Tal, ein Kleinod mit spektakulärer Landschaft und einer eigenständigen Kunstszene. Für die Fahrt dorthin, über den sanft geschwungenen Tollgate-Pass und durch den tief eingeschnittenen Minam-Canyon, wüssten wir schon, welches Auto wir wählen würden: Natürlich den 585 PS starken EV6 GT, mit seiner vom Lancia Stratos inspirierten Form, seiner satten Straßenlage und seiner unerbittlichen Leistung – bis zu einer Höchstgeschwindigekit von 262 km/h, die wir (in Deutschland) auch schon verifizieren konnten.
Der rote EV6 GT ist es auch, der nach drei Tagen wieder nach Seattle überführt werden muss. Noch vor Sonnenaufgang rollen wir lautlos vom Parkplatz des Eritage-Resort – in einem Auto von einem Perfektionsgrad, den Kia noch vor wenigen Jahren niemand zugetraut hätte. Im Kofferraum eine Kiste Rotwein: Anspruchsvoll, komplex, ausbalanciert. Es passt alles zusammen. (aum/jm)
Veröffentlicht am 11.10.2024