2022-01-10 13:21:00 Automobile

Im Bücherregal: Mit Zentralrohrrahmen und Pendelachsen überlebt

Carzoom.de
Fotos: Autoren-Union Mobilität/Motorbuch-Verlag

Bei dem Namen Tatra denken Automobilfans vor allem an die stromlinienförmigen Konstruktionen von Hans Ledwinka wie den T 97 von 1938 oder den ikonischen Nachfolger T 603 mit luftgekühltem V8-Heckmotor. Weniger bekannt ist, dass sich die Marke lange Jahre im Streit mit VW um die Urform des Käfer befand, der Mitte der sechziger Jahre mit einem Vergleich endete. Kurz vor der Jahrtausendwende endete die Pkw-Produktion der Tschechen dann – auch der T 700 hatte bis zuletzt noch einen V8-Heckmotor. Die Lastwagen der Marke hingegen haben bis heute überlebt. Ihrer Geschichte widmet sich Michael Dünnebier in seinem Buch „Tatra-Lastwagen – Die Unverwüstlichen“.

Die Ursprünge von Tatra gehen auf das Jahr 1850 und den Kutschenbau zurück. Ab 1886 entstanden auch Eisenbahnwaggons, 1898 wurde auf einem Kutschenfahrgestell der erste Pkw entworfen, der erste Lkw folgte wenig später. Die Nutzfahrzeugproduktion bei Tatra nahm mit dem Ersten Weltkrieg weiter Fahrt auf. Damals hieß die Firma allerdings noch Nesseldorfer Wagenbaufabrik (NW). Erst nach einer erfolgreichen Lkw-Testfahrt in den 1920er-Jahren im gleichnamigen Gebirge bürgerte sich nach und nach der bekannte Markenname ein.

Besondere Merkmale der robusten Lastwagen aus der Tschechoslowakei waren (und sind) der verwindungssteife Zentralrohrrahmen und die pendelnden Halbachsen mit dem positiven Radsturz. Mit dem schweren Dreiachser T 111 mit luftgekühltem V12 zeichnete sich ab 1942 die spätere Formensprache der Haubertypen 137, 138 und 148 ab. Letzteren gab es auch in einer speziellen „Arktik“-Ausführung für den Einsatz auf den Öl- und Gasfeldern in Sibirien. Bei Truck-Trial-Wettbewerben macht bis heute die schwere Zugmaschine T 813 mit bis zu vier Achsen mächtig Eindruck. Mit dem ebenfalls prägnant designten T 815 fuhr Tatra dann durch das letzte Jahrzehnt der Planwirtschaft.

Danach brachen turbulente Zeiten an. Die Aufsplitterung der Tschechoslowakei in zwei einzelne Staaten führte zu einer Abspaltung des slowakischen Zweigwerks, ein Internezzo von Skoda Mitte der 1990er-Jahre währte nur zwei Jahre, und es gab ständig wechselnde Besitzer sowie eine fatale Abhängigkeit von einem Militärauftrag aus Indien, bei dem es nicht mit rechten Dingen zuging. Auch die Dakar-Siege von 1988, 1998, 1999 und 2001 konnten den Lkw-Hersteller nur kurzfristig über die harten Bedingungen in der Marktwirtschaft hinwegtrösten. Das Überleben sicherte ab 2011 dann eine erste Kooperation mit DAF. Die Niederländer lieferten und liefern Motoren und Fahrerkabinen an Tatra.

Von einst 15.000 Beschäftigten waren 2013 nur noch 850 übrig. Der tschechische Lkw-Hersteller fand in der Folgezeit dann seine Nische im Bau von Feuerwehr- und schweren Militärfahrzeugen. Der Grundstein dafür war bereits schon zu Ostblockzeiten gelegt worden, wo Tatra unter anderem bereits Flughafenfeuerwehrfahrzeuge – teilweise auch mit Rosenbauer-Aufbauten aus Österreich – gebaut hatte. So bestellte beispielsweise das Land Brandenburg erst im vorletzten Jahr 41 Tatra für die Waldbrandbekämpfung. Und die Militärfahrzeuge der Force-Baureihe dienten bereits als Basis für ein gepanzertes Löschfahrzeug mit viertüriger Kabine zum Löscheinsatz in Hochrisikogebieten oder als achtachsiges Fahrgestell für einen Bohrgeräteaufbau. Die Produktion des Unternehmens umfasst im Jahr 2020 ganze 1186 Lastwagen, darunter auch noch Baustellen-Lkw.

Michael Dünnebier, der schon zu DDR-Zeiten Autobücher verfasst hat und ehemaliger Leiter des Dresdener Verkehrsmuseums ist, hat ein ebenso informatives wie beeindruckend bebildertes Buch vorgelegt. Zahlreiche zeitgenössische Fotos, Bilder von restaurierten Fahrzeugen und Prospektmaterial fügen sich zu einem bunten Kaleidoskop zusammen. Gut 40 Prozent des Werkes widmen sich dabei der Unternehmensgeschichte der vergangenen 31 Jahren unter den Bedingungen der Marktwirtschaft.

„Tatra-Lastwagen –Die Unverwüstlichen“ von Michael Dünnebier ist im Motorbuch-Verlag Stuttgart erschienen. Das Buch hat 240 Seiten mit über 350 Abbildungen und kostet 39,90 Euro. (aum/jri)

Veröffentlicht am 10.01.2022

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