2022-12-31 14:38:00 Automobile

Rückblick auf 2022: Unsere Tops und Flops

Carzoom.de
Fotos: Autoren-Union Mobilität/Toyota

Die pandemische Pause ist vorbei, doch in der Autobranche herrscht alles andere als eitel Sonnenschein: Halbleiterkrise und verwirrende politische Vorgaben sorgen für Planungsunsicherheit, der Standort Deutschland und auch die Kundschaft leiden unter exorbitanten Energiepreisen. Zum Abschluss des zweiten vollen Geschäftsjahres der Autoren-Union Mobilität haben unsere Autoren ihre eigene, ganz persönliche Hitliste der Tops und Flops des Jahres 2022 zusammengestellt.

Guido Borck

Top: Kia EV6 GT

2022 erhielt der futuristisch gezeichnete Elektro-Crossover Kia EV6 mit dem GT einen sportlichen Ableger. Der potente Stromer bietet mit 585 PS (430 kW) Leistung im Überfluss. Hinzu kommen 740 Nm an Drehmoment und damit die Kraft auch sicher auf der Straße ankommt, gibt es Allradantrieb. Der aktuell bislang stärkste Serien-Kia überhaupt sprintet in nur 3,5 Sekunden auf Tempo 100, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 260 km/h. Damit bietet der Koreaner Fahrleistungen auf dem Niveau eines Porsche Taycan GTS und bringt ebenso die 800 Volt-Schnellladetechnik mit, doch kostet er im Vergleich mit 69.990 Euro gerade einmal die Hälfte.

Flop: Der Ukraine-Krieg

Russlands Krieg gegen die Ukraine tötet Menschen und treibt die Energiepreise in die Höhe. Die Kosten für Strom und Gas sind in diesem Jahr massiv gestiegen und werden wohl noch weiter steigen. Zwar hat der Bundestag eine Gas- und Strompreisbremse beschlossen, doch gilt die Umsetzung als schwierig. Das in diesem Jahr umgesetzte Entlastungspaket betraf auch die hohen Kraftstoffkosten, die 2022 stellenweise auf ein Rekordhoch von über 2,30 Euro pro Liter angestiegen sind. Der im Sommer eingeführte Tankrabatt sollte mit seinem reduzierten Steuersatz die Autofahrer entlasten. Doch bei denen kam in den drei rabattierten Sommermonaten kaum etwas an. Mittlerweile liegen die Kraftstoffpreise zwar wieder bei weit unter zwei Euro, dass sie aber jemals wieder auf das frühere Niveau ansinken werden, ist unwahrscheinlich.

Michael Kirchberger

Top: Mobile TV-Schüssel für Camper

Warum nicht früher? Satelliten-TV gehört bei vielen Campern einfach dazu. Bisher wurde, kaum auf dem Stellplatz angekommen, die Schüssel ausgefahren und ausgelotet, ob die drei Tannen da drüben nicht doch den Empfang des Signals vom Astra-Sputnik einschränken. Mehr als 3000 Euro lassen sich die Freizeitkapitäne eine Anlage mit automatischem Suchlauf kosten. Bei engen und zugewachsenen Zufahrten müssen sie außerdem peinlich auf Distanz achten, um die empfindliche Empfangseinrichtung auf dem Dach nicht zu beschädigen. Jetzt aber gibt etwas Besseres: eine mobile Schüssel, die sich wetterfest unter einem Kunststoffzylinder versteckt selbstständig korrekt ausrichtet. Während der Fahrt wird sie in der Heckgarage verstaut und beeinflusst damit weder die Höhe noch den Luftwiderstandsbeiwert des Mobils. Mit Preisen zwischen 600 und 800 Euro ist sie deutlich günstiger als eine festinstallierte Schüssel. Und sie lässt sich je nach Kabellänge auch mit Abstand zum Bildschirm aufstellen. Da stören die drei Tannen da drüben garantiert nicht.

Flop: Lieferzeiten

Wie geduldig ist der Mensch? Viele warten ewig, bis ihnen der oder die Richtige zwecks Ehelichung über den Weg läuft. Und die Liebe geht auch durch den Wagen: Auf das Traumauto wartet manch einer geradezu endlos. Aber auf ein seelenloses Elektroauto? Da muss der Hunger auf die staatliche Förderprämie schon groß sein und sich der E-Käufer dennoch damit abfinden, dass es mit der vollen Summe bis zum Jahreswechsel nichts mehr wird. Denn die Stromer lassen auf sich warten. Bis zu 20 Monaten soll sich der Kunde für einen elektrischen Audi gedulden, für andere Modelle wurde, zum Beispiel bei Hyundai, vorsorglich ein Bestellstopp ausgerufen. Jaja, wir wissen schon: Gebrochene Lieferketten und Logistikprobleme machen den Herstellern das Leben schwer. Aber das ist keine Antwort, die wir im Jahr 2022 akzeptieren. Ähnliches gilt übrigens für die Reisemobilbranche. Neulich konterte der rüstige Rentner bei einem Händler die zwölfmonatige Lieferzeit für das Wunschmobil mit dem fatalen Satz: Ja, wenn ich dann noch lebe.

Jens Meiners

Top: Klassische Autos

Dass neue Autos grundsätzlich besser sind als ihre Vorgänger, trifft schon lange nicht mehr zu. Es sind nicht zuletzt fragwürdige Regularien, die moderne Fahrzeuge verfetten lassen und sie mit „Assistenzsystemen“ überfrachten, die bisweilen mehr Schaden als Nutzen stiften. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen dem Reiz klassischer Autos erliegen. Denn die Freude an der Mobilität, der Mechanik und auch an der Ästhetik lässt sich hier oft noch ungefiltert erleben.

Flop: Die Visionen

„Shared mobility“ ist ein Milliardengrab, das „autonome Fahren“ weit in die Zukunft gerückt. Da soll es wenigstens mit der Elektromobilität klappen, dem dritten grandiosen Zukunftsprojekt, mit dem das Autofahren zwar nicht sauberer, dafür aber sehr viel teurer und unerfreulicher wird. Noch jede der goldenen Brücken, die es der Politik erlaubt hätten, von ihren Maximalforderungen wieder abzurücken, wurde achtlos links liegen gelassen. Die Vision soll auf Biegen und Brechen erzwungen werden. Wir werden es bald erleben: Das kann nur schiefgehen.

Jens Riedel

Top: Gravelbike

Es ist weniger als ein Mountainbike, aber deutlich mehr als ein Trekkingbike – und nicht zuletzt ein Rennrad. Gravelbike nennt sich die Mischung, die auf den ersten Blick etwas irritierend wirkt und bei dem einen oder anderen die Frage aufwerfen mag, was das soll? Mit dem neuen Yamaha Wabash RT bot sich uns in diesem jahr die Gelegenheit, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Und schon nach den ersten Straßenkilometern machte es „klick“. Wie klasse ist das denn! Da bist du mit einem Rennrad unterwegs und kannst dank der etwas dickeren Reifen und der Hörnchenauswuchtungen am klassischen Sportlenker noch locker den Abstecher in den Wald machen oder problemlos auf den Schotterweg abbiegen. Dazu gibt es noch den coolen GRX-Wippschalthebel von Shimano, bei dem einfach der Bremshebel zum Gangwechsel zur Seite gedrückt wird. Und die 70 Newtonmeter Tretunterstützung des PW-ST-Pedelecmotors von Yamaha sorgen dafür, dass es ganz entspannt durch Wald und Flur oder den Berg hinaufgeht, an dessen Scheitelpunkt dann im schönsten Fall eine rasante Abfahrt auf Asphalt wartet. Wer bietet mehr?

Flop: Range Extender

Nissan hat dieses Jahr eine eigentlich mit dem Opel Ampera der ersten Generation ausgestorbene Technik wiederbelebt: das Elektroauto mit zusätzlichem Benzinmotor. Schon damals klassifizierten wir den Rüsselsheimer Range Extender als Hybrid und stuften die Vermarktung als Elektroauto als Augenwischerei ein. Die Wiederholung aus Japan macht es nach nun zehn Jahren nicht besser. Im Gegenteil. Reichten dem Opel vor zehn Jahren noch 86 PS als Generatorleistung des 1,4-Liter-Benzinmotors, um 110 kW (150 PS) Elektroantrieb auf die Straße zu bringen, benötigt der Nissan Qashqai e-Power sage und schreibe 158 PS (116 kW), um 140 kW (190 PS) an die E-Achse zu schicken. Zudem bringt dieses Hybridsystem fast 300 Kilo Mehrgewicht gegenüber dem reinen Verbrenner mit sich – und schafft damit ein „Elektroauto“, das einen Normverbrauch von 5,3 bis 5,4 Litern je 100 Kilometer aufweist. Finde den Fehler.

Peter Schwerdtmann

Top: Das Neun-Euro-Ticket

Die Lage war ernst. Die Kraftstoffpreise erreichten täglich vor dem Angriff auf die Ukraine undenkbare Höhen. Der arbeitenden Bevölkerung musste geholfen werden, damit die Fahrt zur Job bezahlbar blieb. Besonders Pendler und andere Menschen, die aufs Auto angewiesen waren, brauchten schnell und unbürokratisch Unterstützung. In einem analog arbeitenden Staat wie Deutschland bleibt da bis heute nur die Gießkanne. In diesem Fall hieß das Tankrabatt – ein ungewollter Extra-Bonus für alle, die große und starke Autos fahren.

Da war die zweite Idee schon besser. Der Staat übernimmt für diejenigen, die sich kein Auto leisten können, den größten Teil der Kosten fürs Pendeln mit dem öffentlichen Personen-Nahverkehr. Vielleicht konnte der Supersparpreis von neun Euro sogar ein paar eingefleischte Autofahrer dazu verleiten, ganz auf die Öffis umzusteigen. Das Lob war ziemlich einhellig, denn diese Maßnahme hatte das Zeug zu einem Einstieg in eine Verkehrswende. Der erneute Einsatz des teuren Gießkannenprinzips schien vermieden.

Flop: Das Neun-Euro-Ticket

Doch die Gießkanne blieb ein Thema, wenn auch an anders als beim Tankrabatt. Offenbar schickte jede Redaktion in Deutschland ihren begabtesten Volontär mit neun Euro auf die Tour von Garmisch nach Flensburg. Und schon geriet das Volk in Wallung: Renter und andere Ausflügler, Jugendgruppen und Punks, Schulklassen und Wanderklubs, Rollstuhlfahrer und Mountainbiker – alle waren auf einmal damit beschäftigt, die Wohltat des Staates so oft wie möglich auszukosten für mehr Freude am (Bahn)-Fahren. Das neun Euro-Ticket wurde zur sozialen Wohltat; alle kamen mal vor die Tür.

Pendlern wurden die drei Monate zur Qual, wenn auch wenigstens zur billigen Qual. Und der eigentlich geneigte Autofahrer erfuhr in der Enge eindrücklich, wieviel persönliche Freiheit von Gedränge und Maske so ein eigenes Auto mit sich bringt.

Gleichzeitig lernten die Deutschen vom Lande auf die harte Art, dass Verkehrspolitik sich wieder einmal nur für die Städter ins Zeug gelegt hatte. Jetzt, Monate nach dem Ende der Neun-Euro-Aktion, müssen sie erleben, wie die Öffis nicht besser werden. Das sowieso schon weitmaschige Netz der Linien auf dem Lande dünnt aus – wegen Personalmangel. Die Klima-Kleber fordern allerdings weiterhin eine Fortsetzung des Neun-Euro-Tickets. Sie sind eben noch mehr aus der Zeit gefallen als der Name ihrer Organisation. Wenn sie wirklich etwas fürs Klima erreichen wollten, sollten sie die Straßensperren aufgeben und sich als Fahrer für Busse und Bahnen verdingen.

Frank Wald

Top: Volkswagen ID Buzz

Eines der wenigen Highlights, die das Jahr 2022 zu bieten hatte, war der VW ID Buzz. Mit seinem freundlichen Design, ebenso großzügigen wie variablen Platzverhältnissen und einer inzwischen zuverlässigen Technik erntete die elektrifizierte Neuauflage der Van-Ikone vom Start weg Applaus von Kritikern wie Kunden – und wurde am Ende zu Recht zum deutschen Auto des Jahres („German Car of the Year“) gekürt.

Flop: Elon Musk

Als größter Tölpel geht in diesem Jahr Elon Musk durchs Ziel. Kaum erträglich, wie der Tesla-Gründer mit seinen wiederkehrenden großspurigen Bemerkungen immer wieder den Börsenwert seines Unternehmens wie auch seine Kunden mit angeblichen „Autopilot“-Technologien ins Schleudern bringt. Wer es bislang nicht wusste, dem offenbart der narzisstische Tech-Milliardär als neuer Twitter-Boss nun sein schräges Demokratieverständnis, wenn er werbeunwilligen Kunden unterstellt, sie seien nicht an der Meinungsfreiheit interessiert – um zugleich notorischen Lügnern, Rassisten und Hasspredigern wie Donald Trump & Co. wieder zu erlauben, ihr politik- und gesellschaftszersetzendes Gift zu spucken. Mit dem Effekt, dass auch der Hype um seine Autos ins Wanken gerät. In Deutschland überdenken die ersten Tesla-Jünger bereits ihre Kaufabsicht, wie das Marktforschungsinstitut Puls in einer aktuellen Studie ermittelte. Für 61 Prozent der Befragten habe die Twitter-Übernahme einen negativen Effekt auf das Tesla-Image, bei gut der Hälfte sei sogar die Kaufbereitschaft gesunken.

Walther Wuttke

Top: Toyota

Die Zukunft der Mobilität ist batterieelektrisch – das sagen die Hersteller. Eine Ausnahme bildet allerdings Toyota: Dort wird weiterhin technologieoffen für die Zukunft entwickelt. Die Antriebspalette reicht vom Vollhybrid über Plug-in-Hybridantriebe bis zum Wasserstoff-Verbrenner und zur Brennstoffzelle. Auch e-Fuels werden von den Japanern untersucht, denn schließlich muss auch der Bestand an Fahrzeugen zukunftssicher gestaltet werden.

Flop: Straßen NRW

Dieser Landesbetrieb versteht sich als Einrichtung, die Straßen baut und betreibt „fürs Leben, damit Sie gut und sicher ankommen.“ Offensichtlich lieben die Verantwortlichen ihre Arbeit - denn sobald am Werk, spielt Zeit offensichtlich keine Rolle mehr. Einmal eingerichtet, bleiben die Baustellen regelmäßig eine gefühlte Ewigkeit bestehen, ohne dass Fortschritt festzustellen wäre. Wer „fürs Leben baut“ hat offensichtlich eine andere Vorstellung von Zeit, als die Menschen, die sich an menschenleeren Baustellen vorbeiquälen und sich bei bestem Wetter fragen, warum niemand die abgestellten Maschinen bewegt. (aum)

Veröffentlicht am 31.12.2022

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