2019-03-22 10:01:00 Automobile

Autonomes Fahren: Virtuelle Szenarien helfen den Entwicklern

Wenn zwei Erzrivalen gemeinsame Sache machen, dann müssen die Gründe dafür mehr als zwingend sein. So geschehen unlängst bei BMW und Daimler. Gemeinsam will man in Zukunft die Themenbereiche virtuelles Fahren, Elektromobilität und Carsharing weiterentwickeln. Denn mittlerweile hat die Automobil-Industrie erkannt, dass die Aufgaben zumindest in den ersten beiden genannten Themenfeldern kaum von einem Unternehmen alleine zu stemmen sind.

Gingen früher vielleicht drei oder vier Prototypen gut getarnt und am liebsten bei Nacht und Nebel auf Erprobungsfahrten, so reichen heute selbst Dutzende davon nicht, um die Szenarien gerade beim autonomen Fahren zu erforschen und die Systeme betriebssicher zu machen. Die Kosten dafür würden ins Unermessliche steigen.

Immer mehr Hersteller setzen daher auf virtuelle Tests. Ausgeklügelte Software lässt Hunderte von Computern rund um die Uhr die unterschiedlichsten Fahr- und Verkehrssituationen berechnen. Wie erkennen Radar, Lidar oder Kameras Verkehrsschilder und andere Verkehrsteilnehmer auch bei Dunkelheit, Nebel, Schnee oder Regen? Die Rechner-Legionen werden von den üblichen Sensoren mit Informationen versorgt und führen die Entwickler schneller und zielsicherer weiter als bisher. Denn auch die Innovations- und Modellzyklen werden immer schneller, mit herkömmlichen Entwicklungsmethoden ließe sich damit nicht Schritt halten.

Die führenden Köpfe der Branche haben sich jetzt in Darmstadt zu einem Kongress getroffen, um über die Zukunft der Automobilentwicklung zu diskutieren. Gastgeber war das Karlsruher Familienunternehmen IPG, das mit Werkzeugen wie dem Car-Maker den Weg zum neuen Auto schneller und vor allem kostengünstiger macht. Rund 500 Entwickler aus den Führungsriegen der Autobauer bis hin zu Entwicklungschefs namhafter Autokonzerne persönlich hatten sich zum Gedankenaustausch eingefunden.

Felix Pfister, Entwickler bei IPG, nennt konkrete Herausforderungen für die Industrie. Bis Ende 2030 müsse die tatsächlich das Drei-Liter-Auto realisieren, denn der Schadstoffgrenzwert für CO2 sinkt dann um 37 Prozent von 95 auf 59 Gramm pro Kilometer im Flottenmittel. Wer das Ziel nicht erfüllt, wird mit kräftigen Strafen belegt. 95 Euro je Gramm Überschreitung und Fahrzeug werden fällig, leicht kommen 6000 Euro für einen Wagen zusammen. Denn nach den Untersuchungen Pfisters liegt die Differenz zwischen den heutigen Fahrzyklen im Labor und der Realität bei rund 50 Gramm, statt 120 stoßen die Autos auf den Straßen 170 Gramm je Kilometer aus. Schon 2021 sollen daher Messanlagen in allen Neuwagen den realen Verbrauch ermitteln und speichern. Beim nächsten Werkstattaufenthalt werden diese Daten ausgelesen, anonymisiert und an die verantwortlichen Behörden weitergeleitet.

Auch bei der Vorbereitung auf die neuen Bestimmungen hilft Kollege Computer kräftig mit. Die Testfahrten laufen virtuell ab, bei manchem Hersteller seien dafür bis zu 1000 Rechner am Werk, die eine Million Versuche fahren, sagt IPG-Geschäftsführer Steffen Schmidt. Deren Ergebnisse werden dann auf Rollenprüfständen evaluiert bevor schließlich ein teurer Prototyp auf die reale Tour auf öffentlichen Straßen geschickt wird. Man könne den Faktor 1000 ansetzen, was Kostenreduzierung und Entwicklungszeitraum angeht, so Schmitt. Das tut allerdings auch Not, denn er vergleicht die Wandel bei der Mobilität mit dem bei Smartphones. Jedes Jahr sorgen hier Innovationen für tiefgreifende Veränderungen. Beim Auto, egal ob es nun elektrisch oder von einem Verbrennungsmotor angetrieben wird, dürfte der Fortschritt bald ein ähnliches Tempo vorlegen. Nur bei einem Umstand bleiben die IPG-Ingenieure skeptisch. Eher könne man den Verbrenner sauber machen als das Batteriegewicht von E-Autos zu halbieren, heißt es.

Gleichwohl bietet die virtuelle Entwicklung auch Chancen, Elektrowagen mehr eigenständigen Charakter zu geben als dies bisher der Fall ist. Die Abstimmung des Antriebsstrang und die Hinzufügung einer elektrischen Hinterachse lässt sich denkbar einfach am Rechner erproben. Immer mehr Hersteller greifen dabei auf die digitalen Welten zurück. Dass der Weg Erfolg verspricht, sieht auch der Karlsruher Softwaren-Anbieter. 2004 beschäftigte das Unternehmen noch 20 Mitarbeiter, heute sind es 250. (ampnet/mk)

Veröffentlicht am 22.03.2019

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