2023-01-20 10:06:00 Automobile

Für Tesla stehen die Zeichen auf Sturm

Carzoom.de
Fotos: Autoren-Union Mobilität/Tesla

Das Fachmagazin „Der Aktionär“ brachte es auf den Punkt: „Die Friede-Freude-Eierkuchen-Welt der Tesla-Träumer, in der es nie schmerzhafte Rabatte und Probleme gibt, geht in Flammen auf.“ Grund: Es gäbe ein „signifikantes Nachfrageproblem“. Jetzt schraubte der E-Auto-Konzern die Preise für seine wichtigsten Modelle wegen ausbleibender staatlicher Stütze und auf Lager stehender Neuwagen herunter, zunächst im Fernen Osten, später in den USA und dann auch hier zu Lande. Doch das ist noch längst nicht alles. Im Reich von Tesla-Imperator Elon Musk brennt es an allen Ecken und Enden.

Das Jahr 2023 war gerade mal drei Tage alt, da stürzte die Aktie der Tesla Inc., dem Produzenten batterieelektrisch angetriebener Automobile mit Sitz in Austin/Texas, auf ihr Allzeit-Tief von 101,28 US-Dollar ab. Damit war das Unternehmen einer der größten Verlierer an den Börsen, büßte allein in den vergangenen zwölf Monaten zwei Drittel seines Werts ein und ließ etwa 700 Milliarden virtueller Dollar (ca. 646 Millionen Euro) den Bach herunter laufen. Das sind rund 225 Milliarden mehr als der deutsche Bundeshaushalt 2023 umfasst. Inzwischen hat sich das Wertpapier zwar ein wenig gerappelt, doch die alte Größe liegt in weiter Ferne.

Ins eigene Fleisch geschnitten

Unter dem Schwund hatte auch Firmenchef Elon Musk, gleichzeitig Tesla-Großaktionär und ehedem reichster Mensch der Welt, zu leiden. Er wurde um mehr als 200 Milliarden Dollar ärmer und stellte damit einen neuen Weltrekord auf. Noch nie hatte eine einzelne Person, so stellte die auf Wirtschafts- und Finanzthemen spezialisierte Nachrichtensendergruppe Bloomberg fest, auf einen Schlag so viel Geld verloren.

Verfügte Musk im November 2021 noch über ein Vermögen von rund 340 Milliarden Dollar, so waren es nun vergleichsweise bescheidene 137 Milliarden, die nur mehr für Platz zwei in den Charts der Krösusse dieser Welt reichten – hinter dem Franzosen Bernard Arnault, Chef des Luxuskonzerns LVMH, dem neben Louis Vuitton, Moët & Chandon und Hennessy weitere 72 Luxusmarken von Dior bis Tiffany gehören.

„Kapital ist ein scheues Reh“, wusste schon Karl Marx vor knapp 160 Jahren. Bei Tesla sorgten gleich mehrere Gründe für die massive Geldflucht. An erster Stelle dürften wohl die Eskapaden des Vorstandsvorsitzenden Elon Musk und sein damit zusammenhängender Imageverlust stehen.

2018 beispielsweise kündigte er via Twitter an, Tesla von der Börse nehmen zu wollen und versprach, 420 US-Dollar pro Aktie springen zu lassen. Auf diese Weise sollte sich Tesla wieder zu einem Privatunternehmen wandeln. Mangels der erforderlichen 70 Milliarden Dollar für die Finanzierung platzte der Plan, extreme Kursschwankungen an der Börse folgten.

Übernahme von Twitter nicht ohne Folgen

Als jüngster Negativ-Coup erwies sich das Hin und Her rund um den Erwerb von Twitter. Dem Nachrichtensender ntv zufolge hatte Musk schon fast zwei Drittel seiner Tesla-Aktien, die einen Großteil seines Reichtums ausmachen, als Sicherheit für andere Kredite hinterlegt, mit denen er seinen Anteil an der Twitter-Übernahme und seine sonstigen unternehmerischen Aktivitäten finanzierte.

Auch, dass er sich jetzt als Chef intensiv um den Social-Media-Dienst kümmern muss und für Tesla kaum noch Zeit hat, schadet dem Börsenkurs des Unternehmens. Es könnte sogar noch schlimmer kommen. Scott Galloway, Professor für Marketing an der Stern School of Business der New York University und einer der international gefragtesten Marketing-Experten, meinte in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“: „Ich sage voraus, dass sich der Tesla-Kurs halbieren wird.“ Noch brutaler urteilte das Internetportal „Business Insider“ in einem Kommentar: „Bei Tesla und SpaceX war Elon Musk ein Idiot mit einer großen Vision. Bei Twitter ist er nur ein Idiot.“

Begründung: „Musks Twitter-Übernahme hat zu einer Menge schockierter Kettenreaktionen geführt – aber wenn man sich seine Geschäfte der vergangenen zehn Jahre anschaut, ist die brutale Brandrodungsstrategie, die er verfolgt, nicht überraschend.“ Insbesondere „Musks gefühllose Behandlung der Mitarbeiter“ sei Grund vieler Übel. Rücksichtslose Arbeitszeitpläne, die Mitarbeiter dazu trieben, im Büro zu schlafen, und eine allgemeine Kultur der Angst und des Misstrauens seien nur die Spitze des Eisbergs. Wegen all dieser Vorfälle kamen einer Spiegel-Umfrage zufolge rund zwei Drittel der Deutschen zum Schluss, Tesla zukünftig negativer zu beurteilen.

Hohe Rabatte sollen Verkauf ankurbeln

Neben dem Börsenkurs dürfte sinkende Nachfrage dem Unternehmen Sorgen machen. Weltweit waren es im vergangenen Jahr 405.278 Autos. Experten hatten allerdings im Schnitt mit knapp 20.000 mehr gerechnet. Zwar lief in Deutschland bis zuletzt der Verkauf wie geschmiert. 69.936 Fahrzeuge im Jahr 2022 bedeuteten einen Markt-Anteil von 14,9 Prozent bei Elektroautos und damit den Spitzenplatz. Doch seit Jahresbeginn befinden sich hier zu Lande Förderprämien auf einem Rückzug, was E-Autos zu spüren bekommen. So stehen zurzeit im brandenburgischen Grünheide vor den Toren der Tesla-Gigafabrik sowie auf dem ehemaligen Flughafen Berlin-Schönefeld nach Beobachtung von Mitarbeitern der „wallstreet:online“-Zentralredaktion 3000 fabrikneue Model Y herum.

Nachlassender Kauflust stellte das Unternehmen kürzlich sinkende Preise entgegen. In den USA gingen sie für ein Modell Y um bis zu 20 Prozent zurück, und in Deutschland sanken die Einstiegspreise der zuletzt meistverkauften Modelle 3 und Y um 6000 Euro und 9100 Euro auf rund 44.000 Euro beziehungsweise 45.000 Euro zurück.

Selbst auf dem Gebrauchtwagenmarkt herrscht offenbar Tohuwabohu. Wer einen Alt-Tesla mit Hilfe der Internet-Gebrauchtwagenbörse https://wirkaufendeinentesla.com los werden möchte, fand Anfang Januar noch die Nachricht: „Aktuell werden keine Tesla von uns angekauft. Neue Anfragen ab Q2 2023 wieder möglich.“ Neuerdings ist nach Anklicken der Website zu lesen: „Die Website ist zur Zeit nicht verüfgbar“ – inklusive Rechtschreibfehler.

Chaos in Grünheide

Dass für Elon Musk Gewerkschaften nicht nur weltweit, sondern auch und gerade in Deutschland eine Achse des Bösen darstellen, ist bekannt. So ist seine Gigafaktory in Brandenburg der einzige Automobilproduzent zwischen Flensburg und Füssen ohne Tarifvertrag, was die IG Metall verständlicherweise gegen den Strich geht. Irene Schulz, Bezirksleiterin der IG Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen, klagt daher: „Tesla ist kein Unternehmen, das unbedingt die Nähe zu den Gewerkschaften sucht“, und berichtet: „Zwar verfügt das Werk bereits über rund 8500 Mitarbeiter, doch es mangelt an vielen Stellen immer noch an Personal. Die Folgen sind eine hohe Arbeitsbelastung im Schichtsystem, Wochenendarbeit und oft zu wenig Freizeit.“

Eigentlich hatte Elon Musk versprochen, in der ersten Ausbaustufe der Fabrik 12.000 Mitarbeiter zu beschäftigen. Doch laut des Berliner „Tagesspiegel“ klagen Mitarbeiter über chaotische Verhältnissen in Grünheide. Es sei nicht erkennbar, dass die Werkleitung die Arbeitsbedingungen zu verbessern versuche, entsprechend groß sei auch die Unzufriedenheit in der Belegschaft. Schon in der Vergangenheit wäre bekannt geworden, dass in der Gigafactory hoher Leistungsdruck herrsche, zudem solle Tesla seine Mitarbeiter im Vergleich zu anderen großen Autobauern schlecht bezahlen. Angeblich lagen die Löhne um 20 Prozent unter dem Branchendurchschnitt. Neuerdings sollen einige Beschäftigte sechs Prozent mehr erhalten.

Einen Betriebsrat gibt es hingegen in Grünheide schon seit fast einem Jahr – aber einen, der recht seltsam zustande gekommen ist und als ausgesprochen arbeitgebernah gilt. Zum Zeitpunkt der Wahlen gab es nämlich lediglich 1800 Arbeiter im deutschen Tesla-Werk. Teilnehmen darf aber nur, so will es das Betriebsverfassungsgesetz, wer seit mindestens drei Monaten angestellt ist. Gewählt werden dürfen zudem nur solche Arbeitnehmer, die seit mindestens sieben Monaten beschäftigt waren. Folge: Wahlberechtigt war vor allem eine große Anzahl von Managern. Und da die Wahl von ihrer Initiative ausgegangen ist und zudem kein einziger Kandidat Gewerkschaftsmitglied war, liegt die Vermutung nahe, dass sich in erster Linie arbeitgebernahe Personen im Betriebsrat wiederfanden.

Interne Spitzel?

Für weiteren Ärger der IG Metall sorgte eine Stellenausschreibung für einen so genannten Security Intelligence Investigator bei Tesla, also einem werkseigenen Spitzel. Im Anzeigentext heißt es: „Sie führen sowohl proaktive als auch reaktive Ermittlungen durch und gehen aktiv gegen interne und externe Bedrohungen für die geschützten und vertraulichen Informationen von Tesla vor.“ Ein geeigneter Kandidat müsse mehrere Jahre Berufserfahrung in einem Geheimdienst oder einer Polizeibehörde hinter sich gehabt haben. Die Aufgabe ist aber wohl kaum, das Unternehmen vor äußeren Gefahren zu schützen, sondern Whistleblower in den eigenen Reihen zu finden.

Wer bei dem Autobauer arbeitet, muss mit dem Arbeitsvertrag eine Geheimhaltungserklärung unterzeichnen, auf die im Unternehmensalltag auch immer wieder hingewiesen wird. „Die Mitarbeiter sind verunsichert, ob sie mit uns überhaupt über die Vereinbarung sprechen dürfen“, hat IG-Metall-Funktionärin Irene Schulz festgestellt. „Dass solche Fragen gestellt werden, das kennen wir aus anderen Unternehmen so in der Form und in der Häufigkeit nicht.“ Auch die Politik meldet sich zu Wort. „Der Erfolg der deutschen Wirtschaft basiert auf einer konstruktiven Sozialpartnerschaft zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber. Wer das nicht realisiert, ist mit seinem Investment in Deutschland vielleicht am falschen Ort“, betont Cansel Kiziltepe, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium und Chefin des Arbeitnehmerflügels der SPD, in einem Gespräch mit dem „Handelsblatt“.

Inzwischen gibt es schlagkräftige Konkurrenz

Bei all den Schwierigkeiten kommt bei Tesla erschwerend hinzu, dass mittlerweile nahezu alle Automobilkonzerne der Welt nach anfänglichem Zögern eine Vielzahl batterieelektrisch angetriebener Fahrzeuge auf den Markt gebracht haben. Tesla hat zu kämpfen – hier zu Lande an erster Stelle gegen Volkswagen, aber auch gegen Audi, BMW, Ford, Mercedes oder Opel.

Was würde wohl Nikola Tesla (1856 bis 1943), genialer Erfinder, Physiker und Elektroingenieur, heute angesichts dieser Probleme und dem Chaos in Musks Autoreich sagen? Das Lebenswerk des kroatischen Namensgebers für den Autokonzern war durch zahlreiche Neuerungen auf dem Gebiet der Elektrotechnik geprägt. Erstaunlich, das im Nikola-Tesla-Museum in Belgrad in diesen Zeiten nicht ein sonores Brummen zu hören ist. Dort befindet sich seit 1952 die Urne mit der Asche des Wissenschaftlers. Diese hätte eigentlich längst ins Rotieren geraten müssen. (Hans-Robert Richarz/cen)

Veröffentlicht am 20.01.2023

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