2023-03-12 09:20:00 Automobile

Mit Porsche in Patagonien: Sind e-Fuels eine Alternative?

Carzoom.de
Fotos: Autoren-Union Mobilität/Porsche

Es ist windig in Punta Arenas, an der Südspitze von Chile. Es bläst kräftig genug, um dem Öffnen der Türen meines Porsche Panamera gehörigen Widerstand entgegenzusetzen. Wenn ich nicht aufpasse, schlagen sie mit Wucht wieder zu. Marcelo Daller spricht von einem „Wind von hoher Qualität“: In über 70 Prozent der Zeit ist er durchgängig so stark, dass er die Flügel einer gewaltigen Turbine mit Vehemenz in Bewegung setzen kann. In den verbleibenden 30 Prozent bläst der Wind manchmal zu schwach, meistens aber noch heftiger. Bei mehr als 90 km/h (Beaufort 10) schaltet sich die Turbine ab.

Daller leitet die Haru-Oni-Fabrik, die von dieser Turbine komplett mit Energie versorgt wird und derzeit noch als Demonstrationsobjekt dient. Sie gehört HIF, das steht für Highly Innovative Fuels; Porsche hat rund 70 Millionen Euro in das Projekt investiert. Im Moment kann die Fabrik pro Tag 350 Liter synthetischen Kraftstoff erzeugen, aber wenn sie voll ausgebaut ist – mit 60 Windrädern und einer groß dimensionierten Vorrichtung zur CO2-Abscheidung – soll sie pro Tag 230.000 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre holen und 66 Millionen Liter e-Fuels erzeugen.

Synthetische Kraftstoffe aus Kohlenstoff und Wasserstoff sind nichts Neues, aber seit einigen Jahren steckt Druck hinter dem Thema. Der Prozess wird permanent verbessert, um sie günstiger zu machen. HIF hat große Pläne: Schon dieses Jahr will man in Patagonien in den regulären Betrieb gehen, nächstes Jahr beginnen die Bauarbeiten an im US-Staat Texas und auf der australischen Insel Tasmanien. 2027 sollen alle drei Standorte zusammen pro Tag 150.000 Barrel e-Fuels erzeugen (ca. 24 Millionen Liter) und 25 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre holen.

Die meisten Anteile an HIF gehören der chilenischen Firma AME (Andes Mining and Energy), und ein führender Manager dort ist ein alter Universitäts-Kollege von Thomas Friemuth, dem Baureihenleiter des Panamera. Ein glücklicher Zufall: „Als er mir von dem Potential berichtet hat, das in den e-Fuels steckt, war mir eigentlich klar, dass Porsche sich hier engagieren sollte“, sagt Friemuth. „Elektroautos sind sehr gut, aber wir werden noch viele Jahre lang Autos mit Verbrennungsmotor auf der Straße haben – neue und alte. E-Fuels sind der einzige Treibstoff, der CO2-neutral ist. Strom ist es nicht.”

Friemuth bezieht sich auf den gerne verschwiegenen Umstand, dass die Elektrizität, mit der E-Autos angetrieben werden, oft mit Kohle oder Gas erzeugt wird. Strom aus Wasser, Wind oder Solarzellen ist zwar sauber – genauso wie Kernenergie -, doch e-Fuels gehen noch einen Schritt weiter, indem sie aus dem Kohlenstoff erzeugt werden, der aus dem atmosphärischen CO2 geholt wird. Mit dem alternativen Kraftstoff können Otto- und Dieselmotoren sogar mehr CO2 aus der Atmosphäre holen als sie emittieren.

Das Projekt in Chile hat momentan noch keine Anlage zur CO2-Abscheidung, noch heuer wird sie allerdings aufgebaut. Vereinfacht dargestellt: Die Anlage zieht Kohlenstoff aus der Luft und mischt ihn mit Wasserstoff, der per Elektrolyse aus Meerwasser gewonnen wird, um Methanol zu erzeugen. Der Energiebedarf dafür wird vollständig durch den Wind abgedeckt. Das Methanol wird zu e-Fuel synthetisiert, aus dem dann Treibstoff für Autos, Flugzeuge oder Schiffe gemacht wird. Der wird aus Südamerika mit Schiffen nach Europa gebracht. Die geplante Fabrik in Texas soll Nordamerika versorgen, aus Tasmanien wird nach Asien geliefert.

Die größte Herausforderung für die e-Fuels sind die Kosten. Es braucht große Volumina – und selbst dann werden die Kraftstoffe noch teurer sein als die Raffinierung von Mineralöl, das es schließlich noch in großen Mengen gibt. „So billig wie Rohöl können wir nicht werden,” sagt Marcos Marques, Projektmanager bei Porsche für e-Fuels. Auf einen Preis willer sich nicht festlegen.

Doch er sagt: „Die Treibstoffkosten sind weitgehend durch Steuern und Regulierung definiert. Deshalb müssen sich die Regierungen einbringen und für Wettbewerbsfähigkeit sorgen. Rohöl muss teurer werden – oder synthetische Kraftstoffe müssen gefördert werden.“

Ein Sprecher der kanadischen Firma Carbon Engineering gewährte der „New York Times“ übrigens schon 2019 Einblicke: Ungefähr 1,35 Euro pro Liter würde der Kraftstoff kosten – ohne Transportkosten und Steuern. Carbon Engineering beschäftigt sich in British Columbia mit dem Thema CO2-Abscheidung, ist jedoch nicht in das HIF- und Porsche-Projekt involviert.

Die e-Fuels sind der ultimative Schritt zur Dekarbonisierung: „Es ist wichtig zu wissen, dass die Technologien zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes, einschließlich synthetischer Kraftstoffe mit niedrigem CO2-Abdruck, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit immer noch Restemissionen verursachen“, so ein Sprecher von Carbon Engineering. Er erläutert: „Die anspruchsvollen Lösungen zur CO2-Abschneidung können parallel dazu genutzt werden, um diese CO2-Restemissionen netto auf Null zu reduzieren. Letztlich brauchen wir einen ganzen Werkzeugkasten von Maßnahmen zur CO2-Reduzierung und zur CO2-Eliminierung, um die Welt zu dekarbonisieren.“

Das schöne an e-Fuels ist es, dass sie als direkte Alternative zu hochoktanigem Benzin ohne jegliche Modifikationen im Motor verwendet werden können. Um das zu demonstrieren, hat Porsche mich auch hierhin eingeladen, an die Südspitze Südamerikas. Und mir einen Panamera E-Hybrid für eine 500-Kilometer-Tour zur Verfügung mit e-Fuel im Tank zur Verfügung gestellt, einmal um den Nationalpark Torres del Paine herum.

Der Fünftürer funktionierte genau wie erwartet: Keine Verschlucker, kein Leistungsabfall, kein Mehrverbrauch. Und die Gedanken des Fahrers kreisen nicht um den Kraftstoff (oder den Ladezustand), sondern um die Straße und die Landschaft.

Das Marktpotential für e-Fuels scheint gewaltig zu sein, auch wenn Regierungen den Verbrenner in Zukunft verbieten wollen. Selbst wenn es dazu kommt, wird es nämlich einen Markt bei Flugzeugen und Schiffen geben, die kaum sinnvoll mit Elektrizität betrieben werden können. Und für die Autos gilt, was Thomas Friemuth so formuliert: „Mit den e-Fuels können wir unsere existierenden Autos immerhin weiterfahren. Schließlich will nicht jeder ein Elektroauto fahren.“ (cen/Mark Richardson)

Veröffentlicht am 12.03.2023

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