2022-04-10 10:01:00 Automobile

Übung dient der Sicherheit und dem Familienfrieden

Carzoom.de
Fotos: Autoren-Union Mobilität/K1 Gesellschaft für Kommunikation

Selbst routinierten Autofahrerinnen oder Autofahrern, die schon zigtausend Kilometer mit dem eigenen Pkw hinter sich haben, kann es etwas mulmig werden, wenn sie zum ersten Mal hinter dem Steuer eines Reisemobils sitzen. Das Handling im Cockpit unterscheidet sich im Prinzip zwar kaum von dem herkömmlicher Personenwagen oder Kleinlaster, aber die Ausmaße dieser Fahrzeuge sind gewöhnungsbedürftig. Und Gewöhnung entsteht durch die Wiederholung, durch üben.

Doch vor der Praxis liegen die Formalien. Wer sein Reisemobil besitzt, hat die schon hinter sich. Aber Mieter müssen bedenken, dass sie mit dem „normalen“ Führerschein (Klasse B) nur Fahrzeuge bis zu 3,5 Tonnen Gesamtgewicht fahren dürfen. Für schwerere Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen Gesamtgewicht benötigen Sie den Führerschein Klasse C. Die Gewichtgrenze hat handfeste Folgen für die Beladung: In der Zulassungsbescheinigung Teil 1 (umgangssprachlich „Fahrzeugschein“) findet sich heute meist die Angabe „Masse des Fahrzeugs mit Aufbau im fahrbereiten Zustand“. Diese Gewichtsangabe umfasst – neben dem Fahrzeug selbst – auch das Gewicht von 90 Prozent des Kraftstoffs, fest verbauter Zusatzbauteile, vorgeschriebener technischer Ausstattung und 75 kg für den Fahrers oder die Fahrerin.

Berechnung des Gesamtgewichts

Dazu addiert werden müssen unter anderem das Gewicht der Frischwasser- und Gasvorräte, die Füllung der Chemietoilette und des Boilers und das Körpergewicht der Mitreisenden. Da ist das zulässige Gesamtgewicht manchmal schneller erreicht als man denkt, selbst ohne Gepäck. Und damit nicht genug: Die Achslast – sie steht ebenfalls in der Zulassungsbescheinigung Teil 1 – darf keinesfalls überschritten werden, auch wenn das Gesamtgewicht ansonsten eingehalten wird. Zur Berechnung dient die Faustformel Achslast = (Leergewicht + Ladung) durch Zahl der Achsen. Das Ergebnis stimmt offensichtlich aber nur, wenn auf beiden Achsen dasselbe Gewicht liegt, das Fahrzeug also ausgeglichen beladen wurde. Im Zweifel hilft nur die Fahrt zu einer Waage. Denn Übergewicht insgesamt und zu hohe Achslast führen zu Bußgeldern.

Schon nach den ersten Metern am Steuer wird jedem klar, dass sich ein Fahrzeug von 3,5 oder 7,5 Tonnen Gewicht anders verhält als ein Pkw. Das gilt vor allem beim Beschleunigen und Bremsen, erst recht bei schlechten Wetterbedingungen und auf nasser, verschneiter oder vereister Fahrbahn. Zudem sind Reisemobile mit ihren großen Front- und Seitenflächen anfälliger für Wind, etwa beim Überholen von Lkw auf der Autobahn oder auf Brücken. Das Verkehrsschild „Achtung: Seitenwind“ sollten Sie am Steuer eines Reisemobils ernst nehmen.

Die Masse macht‘s

Grundsätzlich gilt: Die langsamere Beschleunigung eines Reisemobils einkalkulieren, ebenso seine größere Masse und damit die längeren Bremswege. Abstand halten und früher bremsen gehören zu den Übungen vor und während der Reise. Wer den Verkehr im Blick behält und vorausschauend fährt, wird hoffentlich jedes Bremsmanöver vermeiden können, was übrigens nicht nur der Sicherheit der mitreisenden Familie, sondern auch dem Familienfrieden dient. Im Reisemobil bleibt eine Vollbremsung selten ohne Folgen für die Schrankinhalte.

Die Masse übt ihren Einfluss allerdings nicht nur bei der Längsbeschleunigung beim Bremsen oder Gasgeben aus. Sie schiebt bei Glätte den Wagen auch schon einmal gerade durch die Kurve oder zwingt das Heck zu einem Versuch, den eigenen Bug zu überholen. Die Aufstandsflächen der Reifen haben aber auch in Kurven schwer mit der Masse zu kämpfen. Dabei helfen heute Fahrdynamiksysteme. Aber der Fahrer verzichtet besser darauf, sie mit Familie, Hund und Geschirr an Bord auszuprobieren.

Abbiegen und rangieren erfordert Übung

Wegen ihrer Länge, dem großen Radstand und dem oft überlangen Überhang am Heck erfordern Reisemobile eine andere Art des Kurvenfahrens oder Abbiegens: Weiter ausholen ist angesagt, wenn der Hinterräder eine Kurve schaffen sollen, ohne über den Bordstein zu rumpeln und das Heck in den Gegenverkehr ragen zu lassen. Dabei die fürs jeweilige Auto passende Ideallinie zu finden, braucht Übung.

Die nächste Übung der Hohen Schule stellt das Rangieren eines Wohnmobils dar, womöglich rückwärts. Für Anfänger kann das zu einer schweißtreibenden Angelegenheit gerate. Länge und Breite des Fahrzeugs erfordern besondere Umsicht. Da ist eine zweite Person, die außen die Lage im Blick hat und die richtigen Zeichen gibt, oft wichtiger als die beiden Außenspiegel. Hilfreich ist natürlich eine Rückfahrkamera, die es sogar zum Nachrüsten gibt.

Aber auch Parken will gelernt sein. Dass das Mobil zum Schlafen am besten eben steht, werden einem die Mitreisenden schon beibringen. Der Fahrer ist aber auch dafür verantwortlich, nachts mit einem Blitzstart vom Stellplatz verschwinden zu können. Der erfahrene Reisemobilist parkt sein Mobil immer so, dass er den Stellplatz geradeaus verlassen kann, im dringendsten Fall trotz der geschlossenen Gardine im Fahrerhaus.

Von Schildern und Schätzen

Wenn nur der Dachlüfter in einer zu niedrigen Brücke hängenbleibt, kann sich der Fahrer glücklich schätzen. Auch tiefhängende Äste, Verkehrsschildern oder weit auskragenden niedrigen Hausdächern langen gern einmal hin, wenn ihnen der Aufbau eines Reisemobils zu nahe kommt. Auch für andere Dachaufbauten wie Solarpaneelen und Sat-Antennen oder bei Alkovenmodellen kann es unter Umständen zu knapp werden. In Deutschland warnen meist Verkehrsschilder vor niedrigen Durchfahrten oder zu schmalen Passagen. Da nähert man sich besser im Schritttempo oder schickt die besagte zwei Person voraus zu Einweisen oder Abwinken.
Training auf dem Übungsplatz.

Erfahrene Autofahrerinnen oder Autofahrer bekommen das ohne Weiteres hin. Dennoch ist es für Neulinge sicherlich ein guter Tipp, besonders vorsichtig und defensiv mit dem Fahrzeug umzugehen, vor allem zu Anfang. Neulinge erhalten zum Beispiel bei InterCaravaning-Händlern bei Miete oder Kauf eine technische Einweisung. Wer noch einen Schritt weiter gehen will: Manche Hersteller und die Automobilclubs bieten spezielle Reisemobil-Fahrsicherheitstrainings, bei denen man unter anderem richtiges Beladen, Bremsen, Einparken und Kurvenfahren üben kann. (aum)

Veröffentlicht am 10.04.2022

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