2023-04-14 09:36:00 Automobile

Eigentlich müssten die Klimaschutz-NGOs unsere Verbündeten sein

Carzoom.de
Fotos: Autoren-Union Mobilität/eFuel Alliance

Mit der Entscheidung der EU, neben der Elektromobilität auch andere Technologien für einen klimaneutralen Verkehr zuzulassen, steht die Tür für Alternativen offen. Doch wer wird hindurchgehen? Welche Chancen oder Risiken ergeben sich? Wir fragten dazu einen, der sich professionell für die synthetische Kraftstoffe einsetzt: Ralf Diemer, den Geschäftsführer der „eFuel Alliance“, einer Kooperation von Unternehmen, Institutionen und Instituten verschiedener Branchen.

Grundsätzlich zu begrüßen sind die Vorbereitungen zur „Legalisierung“ von e-Fuels als Symbol für den Verzicht der Politik, sich in die Fragen nach der besten Technologie einzumischen. Aber wie sehen Sie die Chance, unter Umständen auch gegen den Widerstand des EU-Parlaments zu einer Regelung zu kommen?

„Sicherlich ist noch nichts in trockenen Tüchern und diese erste Einigung auch nicht rechtssicher. Wie groß der Widerstand des Parlaments sein wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Die bisherigen Entscheidungen waren alles andere als eindeutig. Zudem hat sich die Kommission dazu verpflichtet, auch bei Widerständen der CO-Gesetzgeber einen Weg zu finden, die Vereinbarung umzusetzen.”

(Auszug aus dem Originaltetext der Kommission: In the case the co-legislators reject the proposal, the Commission will follow another legislative path such as a revision of the CO2-regulation to at least implement the legal content of the Delegated Act.)

Wo sehen sie die Verbündeten für einen Massenmarkt von e-Fuels und anderen klimaneutraler Kraftstoffe wie die "Hydrotreated Vegetable Oil" (HVO), zu Deutsch "hydriertes Pflanzenöl"?

„Die Verbündeten hierfür sollten in erster Linie die EU-Kommission, die EU-Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament sein, indem Sie ein regulatorisches Umfeld schaffen, das die Investitionen in die industriealisierte Produktion von e-Fuels ermöglicht. Mit ambitionierten Quoten und Unterquoten in der Erneuerbaren Energien Richtlinie und in den Regulierungen für den Luftverkehr sowie die Schifffahrt, einem vernünftigen, CO2-basierten Energiebesteuerungssystem und einer möglichst technologieoffenen Politik.

Eigentlich müssten unsere Verbündeten auch die NGOs sein, die für den Klimaschutz eintreten, denn jeder Liter aus Erneuerbaren Energien hergestellter e-Fuels, der fossilen Kraftstoff ersetzt, ist ein wirkungsvoller Beitrag für den Klimaschutz. Wichtige Verbündete sind für uns auch die Menschen. Denn am Ende profitieren alle von einem möglichst breiten und effizienten Klimaschutz.“

Denken Sie, dass die deutschen und europäischen Massenhersteller sich auf den Verbrenner als Alternative zum Elektroauto zurückbesinnen werden?

„Der Markthochlauf der E-Mobilität in Deutschland und Europa ist bereits in vollem Gange. Die meisten der Automobilhersteller verfolgen E-Mobilitätsstrategien. Das wird sich nicht mehr ändern. Ob allerdings „all electric“ am Markt wirklich zum Erfolg führen wird, ist noch eine offene Frage. Und wir sehen bei den Automobilherstellern ja auch strategische Unterschiede: Während sie in der EU das Verbrenner-Aus ankündigen, investieren sie weiter in den Verbrennungsmotor für andere Märkte. Denn ein gesetzliches Verbot des Verbrennungsmotors gibt es nirgendwo sonst außerhalb der EU. Betrachten wir den Fahrzeugbestand, bildet der Verbrenner in den kommenden Jahren, mindestens bis 2040 auch in der EU weiterhin einen Großteil der Bestandsflotte ab. Und erst recht außerhalb der EU.“

Was, außer dem offensichtlichen Kundenwunsch, kann sie motivieren, die Verbrenner wieder anzunehmen?

„Noch ist der Verbrenner ja im Angebot und die Ankündigungen der Hersteller müssen sich am Ende ja auch am Markt durchsetzen. Sollten also die Kundinnen und Kunden nicht im erwünschten Maße mitmachen bei der reinen Elektrifizierung und wir zugleich e-Fuels ausreichend im Angebot haben, wird sich auch ein Anbieter finden, der dann klimaneutrale Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor in den Markt bringen wird. Dieser Hersteller kommt nicht notwendigerweise mehr aus der EU, bzw. die Fahrzeuge sind möglicherweise außerhalb der EU produziert worden, zum Beispiel in China.“

Sehen Sie Wege, die Autohersteller zu motivieren, zum Beispiel über Anrechnungsfaktoren beim Flottenverbrauch?

„Klar, das könnte ein Motivator sein. Wenn gewährleistet wird, dass entsprechende Mengen e-Fuels zur Verfügung stehen, dann kann das Fahrzeug mit Verbrennungsmotor im Angebot bleiben. Warum auch nicht? Es ist eine rein politische Entscheidung festzulegen, dass nur ein Elektroauto ein Null-Emissionsfahrzeug sein kann, egal wie der Strom für seinen Betrieb erzeugt worden ist.“

Wie kann ein solches e-Fuel-only-Auto technisch gestaltet sein: Einfüllstutzen, Sensoren?

„Die prominentesten Lösungen sind derzeit sicherlich der besondere Einfüllstutzen oder eine spezielle Technik, die die chemische Beschaffenheit des Sprits erkennt und bei fossiler Basis das Anlassen des Fahrzeugs verhindert. Die Praktikabilität beider Lösungen ist jedoch fraglich und geht mit neuen Entwicklungszeiten sowie erhöhten Kosten für die Hersteller einher. Lösungen am Fahrzeug sind also Lösungen für die Flotte nachgeordnet. Bei der E-Mobilität macht sich auch niemand Gedanken darüber, dass ein Sensor eingebaut wird, der das Betreiben des Fahrzeugs nach Beladung mit Graustrom verhindert.

Es geht darum, fossile Kraftstoffe zu ersetzen. Das heißt es müsste ein System gefunden werden, das garantiert, dass die gefahrene Menge e-Fuels in den Markt gebracht wird. Idealerweise unabhängig vom spezifischen Fahrzeug. Das wäre ein bilanzielles System, das wir konkret auch schon vorgeschlagen haben. Das würde vergleichbar mit einem Grünstromvertrag für ein Elektroauto funktionieren. Der Hersteller oder Energieversorger, mit dem Sie so einen Vertrag machen, sorgt ja auch nicht dafür, dass just Ihr konkretes Fahrzeug immer mit Ökostrom geladen wird, sondern dass eine ihrem Konsum vergleichbare Menge von Ökostrom irgendwo und zu einem geeigneten Zeitpunkt ins Netz eingespeist wird.“

Welches Interesse sollten die Mineralölgesellschaften haben, für den langsamen Hochlauf der e-Fuel-only-Fahrzeuge eine Extra-Infrastruktur mit Herstellung oder Zulieferung, Transport, Lagertanks und eigener Zapfsäule aufzubauen?

„Der Vorteil an e-Fuels ist ja eben der, dass weder im Transport, bei der Infrastruktur noch bei den Anwendungen selbst Veränderungen vorgenommen werden müssen. Das Interesse von Mineralölgesellschaften liegt darin, die vorhandenen Strukturen weiterbetreiben und einen neuen, großen Markt erschließen zu können. Auch Mineralölkonzerne machen sich viele Gedanken darüber, wie ihr Geschäftsmodell in einer klimaneutralen Zukunft aussehen könnte. e-Fuels spielen bei diesen Gedanken eine zentrale Rolle.“

Die e-Fuels haben beweisen können, dass sie andere Kraftstoffe ohne Schaden selbst für Oldtimermotoren ersetzen können. Warum beginnen wir jetzt nicht – wie bei E5 und E10 – mit dem Zusatz von e-Fuels (und 7 oder HVO) und honorieren das mit einer Herabsetzung der Treihausgasminderungs- (THG)-Quote für die Mineralölindustrie?

„Diese Frage müsste man der Bundesregierung stellen. Die Regierungen der Mitgliedstaaten sind für konkrete Beimischung an der Zapfsäule zuständig. Finnland hat das gerade verabschiedet, eine e-Fuel-Quote von drei Prozent bis 2030. Damit wissen die Anbieter sofort, welche Mengen in 2030 benötigt werden und können investieren. Ideal wäre natürlich, dass im Rahmen der Erneuerbaren Energienrichtlinie auf EU-Ebene zu lösen, die gerade in Brüssel finalisiert wird. Mit einer ambitionierten Unterquote für e-Fuels für den gesamten Verkehrssektor hätten wir genau ein solches Szenario auf EU-Ebene, das die dringend notwendige Investitionssicherheit gibt. Unsere Forderung ist: Fünf Prozent e-Fuels im gesamten EU-Verkehrssektor bis 2030. Das ist realistisch machbar und würde jährlich 60 Millionen Tonnen CO2 einsparen – das entspricht dem Ausstoß von 40 Millionen Pkw." (Das Interview führte Peter Schwerdtmann/cen)

Veröffentlicht am 14.04.2023

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