2023-08-20 10:01:00 Automobile

Im Bücherregal: Boris Herrmann und das Rennen um die Welt

Carzoom.de
Fotos: Autoren-Union Mobilität/Delius Klasing

Welche Geister treiben sie um, jene Menschen, die in kürzester Zeit alle Achttausender der Erde erklimmen oder den Globus trotz turmhoher Wellen und orkanartiger Winde mit einem Segelschiff umrunden wollen? Gewiss ist es die Auseinandersetzung mit der Natur, die Herausforderung und letztlich auch das Verständnis für die Belange der Umwelt, die Frauen und Männer beflügelt, übermenschliches zu leisten. Der Extrem-Bergsteiger Reinold Messner etwa setzt sich für Klima- und Artenschutz ein, und auch Deutschlands prominentester Segler stellt seine Wettfahrten ebenfalls unter das Motto des Umweltschutzes.

Boris Herrmann hat im vergangenen Jahr das Einhandrennen Vendee Globe trotz eines Crash mit einem Fischtrawler kurz vor dem Ziel auf einem hervorragenden fünften Platz beendet. In dieser Saison startete er, diesmal nicht alleine sondern mit seiner fünfköpfigen Crew, zum Ocean Race, das ebenfalls rund um den Erdball führte und landete am Ende auf Rang drei. Jochen Rieker hat das Abenteuer nun aufgeschrieben und in einem Buch samt prachtvoller Bilder bei Delius Klasing veröffentlicht.

„Boris Herrmann und das Rennen um die Welt“ heißt das 160 Seiten starke Werk. Und um es vorwegzunehmen, auch Nicht-Segler legen es kaum wieder aus der Hand, bevor die Reise des emphatischen Hamburgers nach mehr als 31.000 Nautischen Meilen und knapp 90 Tagen in Genua endet. Dramatisch sind die Erlebnisse auf See. Mit einer Strecke von 641,13 Seemeilen binnen 24 Stunden legt die Malizia Seaexplorer die größte jemals von einem Einrumpfboot gesegelte Strecke zurück. Die Boote der Imoca 60 Klasse sind absolute Heißblüter. Der Kiel ist um 38 Grad schwenkbar, um bei Krängung die jeweils beste Stabilität und Geschwindigkeit zu erzielen. Die Ruderanlage hat zwei Blätter, damit zumindest eines immer unter Druck steht, so sehr sich das Boot auch auf die Seite legt.

Und die beiden Foils genannten Kohlefaser-Flossen an der Mitte des Rumpfes machen die Malizia zum Tragflügelboot. Bei entsprechender Windrichtung und -geschwindigkeit hebt sie sich bei etwa 15 Knoten dank derer Hilfe aus dem Wasser und surft mit drastisch verringertem Widerstand gewissermaßen über die Wellen. Als Topspeed hat die Rennyacht gut 30 Knoten erreicht, das sind mehr als 50 Kilometer in der Stunde. Und die würden nur von sehr erfahrenen Wasserskiläufern gestanden werden.

Etwa neun Tonnen wiegt die Rennyacht, 2,2 Tonnen davon gehen auf die Kielbombe aus Edelstahl, die den Racer kentersicher macht. Gefahren drohen indessen vom grenzwertig belasteten Material. Der Bruch eines Blocks, der Umlenkrolle für das Großfall, mit dem das größte Segel am Bord nach oben gezogen wird, ließ auf der Etappe von Kapstadt in Südafrika nach Itajai in Brasilien die Leine nach unten schnurren und die hinterließ im empfindlichen Kohlefasermast eine 26 Zentimeter lange Kerbe. Ans Aufgeben denkt keiner, Crewmitglied Will Harris repariert den Schaden auf offener See in fast 28 Meter Höhe direkt am Mast. Dass der Brite ein begeisterter Hobby-Kletterer ist, kommt ihm bei der Reparatur zu Gute. Allerdings ist es selten, dass ein Felsen um bis zu fünf Meter hin- und herpendelt. Dies aber tat der Mast der Malizia aufgrund der kräftigen Dünung im Indischen Ozean.

Der Autor glänzt mit kompetentem Fachwissen und schildert das Renngeschehen einfühlsam. Dabei lässt er die Besatzungen der vier konkurrierenden Rennyachten nicht unerwähnt, sondern stellt sie und ihre Skipper in Kurzbiografien und in Interviews vor. Auch das Leben an Bord wird geschildert. Schlafen etwa ist eine schwierige Angelegenheit auf den kompromisslos auf Tempo statt auf Komfort getrimmten Racern. Der Bug schlägt in die Wellen, der Lärm und die Bewegungen sind immens und erst extreme Müdigkeit lässt die Augen zufallen. Die anderen (menschlichen) Bedürfnisse an Bord werden ebenfalls nur peripher bedient. Für den Toilettengang gibt es nichts als einen Eimer, im Interview betont Boris Herrmann, dass man sich den Luxus erlaubt habe, einen für die weiblichen und einen anderen für die männlichen Crewmitglieder bereitzustellen.

Es werden nicht die letzten Geschichten sein, die über den deutschen Vorzeigesegler geschrieben wurden. Ein gutes Entwicklungsteam und solvente Sponsoren im Rücken, denkt der Hamburger bereits wieder über zukünftige See-Abenteuer nach. Nach dem Rennen ist eben vor dem Rennen. Wer die letzte Seite von Jochen Riekers lesenswertem Buch umblättert, wird das gewiss verstanden haben. (aum/mk)

Jochen Rieker: „Boris Herrmann und das Rennen um die Welt“, 160 Seiten, vielzählige Abbildungen, Verlag Delius Klasing, 29,90 Euro.

Veröffentlicht am 20.08.2023

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