Kommentar: Ein Handelskrieg mit China kennt nur Verlierer
Doch dabei dürfte es nicht bleiben: Schlägt die Mini-Mutter den vollen Zoll auf den Endpreis des Aceman drauf, stünde das Modell plötzlich mit 36.505 Euro beim Händler. Das würde den Verkaufserfolg erheblich schmälern. Mini hofft mit dem Aceman einen Topseller im Programm zu haben. Derzeit wird das Modell in Kopenhagen der Weltpresse vorgestellt.
Die EU-Staaten haben der Kommission im Zollstreit freie Hand gegeben. Die Gegenstimmen Deutschlands und drei weiterer Staaten (Ungarn, Slowenien, Slowakei) haben wenig genutzt. Die Motive der Unterstützer von Strafzöllen ist unterschiedlich. Frankreich und Italien fürchten eine Flut billiger Importautos. Osteuropäische Staaten wie Polen oder Bulgarien spekulieren auf die Ansiedlung chinesischer Autowerke. BYD baut bereits eine Fertigung in Ungarn auf. Deutschland hingegen fürchtet einen Wirtschaftskrieg. Denn kontert die chinesische Regierung mit eigenen Zollschranken, sieht es für VW, BMW und Mercedes dort noch schlechter aus als ohnehin schon.
Ein solcher Konflikt dürfte nur Verlierer kennen. Zölle sorgen für höhere Preise – die am Ende die Verbraucher zahlen müssen. Das ist bei Elektroautos, die ohnehin schon teurer sind als Verbrenner, doppelt ärgerlich. Denn nach dem Willen der EU sollen wir ja möglichst bald nur noch elektrisch fahren. „Wir wissen noch nicht, wie wir reagieren, wenn der Zoll kommt“, heißt es bei Mini. Klar ist aber: Zumindest ein Teil des Strafzolls wird beim Verbraucher landen.
MG, erfolgreichste Marke aus China in Europa, soll sogar 35,3 Prozent Strafzoll zahlen. Grund ist die angeblich mangelnde Kooperationsbereitschaft von SAIC, dem Mutterkonzern von MG, mit der EU-Kommission. Für die Importe europäischer Marken gelten 21,3 Prozent – zusätzlich zu den zehn Prozent, die für alle Importautos fällig werden.
Auch Volkswagen wäre betroffen. So importiert die Konzernmarke Cupra den Tavascan aus einem VW-Werk in China. Ein relativ niedriger Strafzoll droht Tesla für das in China gefertigte Model 3. Tesla hat den Preis bereits um 2000 Euro angehoben.
Die EU-Kommission könnte mit den Strafzöllen einen Wirtschaftskrieg ungeahnten Ausmaßes lostreten. Dass vor allem die exportstarken deutschen Unternehmen – nicht nur der Autobranche – darunter zu leiden hätten, stört in Brüssel wenig. Zu groß ist in Ländern wie Frankreich oder Italien die Angst, chinesische Hersteller könnten mit Billigprodukten den Markt überschwemmen und die eigene Industrie an die Wand drücken. Davon kann derzeit noch keine Rede sein: Im vergangenen Jahr kamen gerade einmal 290.000 E-Autos aus China in die EU. Der Marktanteil im E-Segment betrug damit 20 Prozent. Allein 100.000 der Stromer holte Tesla aus seinem chinesischen Werk nach Europa. 60.000 Stück importierte Renault vom Dacia Spring. Rein chinesischen Marken wie BYD, MG oder Nio sind nur 75.000 Importe zuzurechnen. Also viel Lärm um fast nichts.
Ausgerechnet Frankreich zeigt, was die EU stattdessen tun könnte: Den Absatz von Elektroautos fördern – unter der Bedingung, dass die Ökobilanz auch bei der Produktion stimmt. Denn wird ein Elektroauto mit „schmutzigem Strom“ produziert, hilft das dem Klima kaum. Frankreich belohnt nur noch der Kauf solcher Modelle, die mit nachhaltigem Strom produziert werden. Vor allem die energieintensive Batteriezellfertigung sollte mit Ökostrom erfolgen, sonst startet ein Elektromobil mit einem riesigen CO2-Rucksack ins Autoleben. Chinesische Hersteller haben damit kaum eine Chance auf Unterstützung. Zudem sollte sich Europa an der Förderung des Batterieforschung in China ein Beispiel nehmen. Milliarden hat die chinesische Regierung in den vergangen Jahren hier investiert. Ganz anders Deutschland: Die Bundesregierung lässt die Förderung der Batterieforschung gerade auslaufen. Neue Förderanträge, beklagt die Industrie, nimmt das Bundesforschungsministerium nicht mehr entgegen. (aum)
Veröffentlicht am 07.10.2024