Kommentar: Thema verfehlt
Das Diskussionspapier des „Competence Centers Energietechnologien und Energiesysteme“ favorisiert Alternativen zu den e-Fuels, nennt deren Umweltbilanz fragwürdig und erklärt sie zu einem Hindernis der Verkehrswende. Der Mainstream sieht die Sichtweise sicher als politisch korrekt. Wer anderer Meinung ist, braucht gar nicht erst nach Fehlern beim Denkansatz zu suchen. Denn hinter all den feingesetzten Argumenten wird die Frage verborgen, die Mathematik, Chemie und Physik nicht beantworten können: Was ist vernünftig?
Die Vernunft gebietet es, dem Klimawandel mit allen Mitteln gerecht zu werden. Wer denken kann, der weiß, dass in ferner Zukunft die elektrische Energie die beherrschende sein wird. Denn fast alle unsere alternativen und nachhaltigen Verfahren führen letzen Endes zu Strom, sei es nun das Wasser, der Wind oder das Licht. Deswegen ist die Elektromobilität eine logische Lösung für die Verkehrswende. Aber nicht heute und nicht in den kommenden zwei Jahrzehnten.
Bis dahin werden wir uns mit einem Energiemix befassen müssen und mit einem Mix bei den Antrieben. Die 1,3 Milliarden bis 1,5 Milliarden Verbrenner werden nicht einfach verschwinden, sondern das verbrennen, was zur Verfügung steht. Da ist jeder Liter klimaneutraler Kraftstoff willkommen, auch wenn er mit viel grünem Strom hergestellt wurde. Dabei ist es einerlei, ob dieser Liter in einem Hochofen zur Stahlherstellung eingesetzt wird oder zum Bewegen von Flugzeugen, Schiffen und dem ungeliebten privaten Pkw. Der Effekt aufs Klima ist überall derselbe.
Die Herstellverfahren und -kosten sind im Übrigen ebenfalls gleich. Deswegen muss es verwundern, wenn im genannten Diskussionspapier die e-Fuels für Pkw mit dem Hinweis abgelehnt werden, ihre Herstellung sei zu teuer. Für die Lufthansa oder für Thyssen gelten bei der Kraftstoff- oder Wasserstoffherstellung dieselben Regeln von Chemie und Ökonomie. Wenn die mit den Synthetischen wettbewerbsfähig arbeiten können, wieso sollte das dann für den Autofahrer zu teuer sein?
Diese inzwischen auf höchster Ebene übliche Gedankenverschlingung wiederholt sich in diesem Papier wie in vielen anderen, tendenziell gleichen oder ähnlichen Argumentationen: Von Herstellkosten zwischen 1,20 Euro und 3,60 Euro pro Liter ist die Rede, und dann noch die Steuer obendrauf. Die Schätzungen der e-Fuel-Hersteller sehen den Preis eher am unteren Ende der Skala. Die andere Seite führt noch einen Steueraufschlag ins Feld, als wenn es in Zukunft dabei bleiben wird, dass Strom fürs Auto nur mit Mehrwertsteuer und nicht mit einem Äquivalent zur Mineralölsteuer und der CO2-Abgabe belastet werden wird.
Also, liebe Autoren dieser Denkschrift, ihr seid nicht allein. Wissenschaft kennt viele Denkansätze. Auch an der Uni Karlsruhe. (cen/Peter Schwerdtmann)
Veröffentlicht am 04.04.2023
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