2022-10-20 10:01:00 Automobile

Mercedes Benz-Sicherheitsentwicklung: Vom Elchtest zur Vision Zero

Carzoom.de
Fotos: Autoren-Union Mobilität/Mercedes-Benz

Fast auf den Tag genau vor 25 Jahren ereignete sich für Mercedes-Benz der PR-Supergau: Am 21. Oktober 1997 kippte der schwedische Journalist Robert Collin mit dem sogenannten „Elchtest“, einem extremen Links-Rechts-Links-Lenkmanöver, kurz vor ihrer Premiere die neue A-Klasse um. Nach anfänglichem Zaudern reagierten die Schwaben und rüsteten alle bereits ausgelieferten Fahrzeuge kostenlos mit dem elektronischen Stabilitätsprogramm (ESP) aus. Das Desaster wurde zur Erfolgsstory – und Mercedes zum Pionier in Sachen Fahrsicherheit. Heute gehört die Anti-Schleuderhilfe, die das Fahrzeug über gezielte und blitzschnelle Bremseingriffe an einzelnen Rädern wieder auf Kurs bringt, zur Standardausstattung eines jeden Pkw.

Seit dem Elchtest-Manöver – das in Schweden in Wahrheit „Kindertest“ heißt, weil damit das plötzliche Auftauchen eines Kindes und nicht des nordischen Urviehs simuliert wird – hat die Sicherheitsentwicklung bei Mercedes-Benz große Fortschritte gemacht. Dabei war das ESP Wegbereiter für viele der heute gängigen aktiven Fahrassistenten. Aktuell sorgen mehr als 40 Systeme für mehr Sicherheit, darunter etwa der Abstandsregeltempomat Distronic, der Lenk-, Spurhalte- und Spurwechselassistent. Bremsregelsysteme sind heute mit mehr als 100 Fahrzeugfunktionen vernetzt und bieten neben einem Plus an Sicherheit mehr Effizienz und Komfort.

Neben dem regenerative Bremssystem für Hybrid- und Elektrofahrzeuge, das Mercedes-Benz bereits 2010 eingeführt hatte, und der integrierten Fahrdynamikregelung und Traktionskontrolle, zählt als jüngstes Highlight der Entwicklung die 2020 in Serie gebrachte Kombination aus Bremsregelsystem und Hinterachslenkung. Sie kombiniert in beeindruckender Weise das Fahrverhalten im Normal- wie auch die Stabilität und Kontrolle im Grenzbereich. Mit beinahe spielerischer Leichtigkeit meistert damit heute jeder Mercedes, wie wir es bei einer Demonstrationsfahrt auf dem Mercedes-Benz Prüf- und Testcenter in Immendingen erleben durften, den abrupten Spurwechsel-Test, der einst die A-Klasse zu Fall brachte, ebenso wie einen verschärften Slalom-Parcours.

Wahre Höchstleistungen vollbringt das integrierte System aber erst, wenn die Fahrbahn nur einseitig griffig durch nasses Herbstlaub oder aufgetaute Schneeränder ausfällt. Wird der Wagen hier zum Ausweichen gezwungen, bedeutet das ohne elektronische Unterstützung unweigerlich einen Abflug in den Straßengraben. Mit aktiviertem System allerdings hält in unserem Fall der EQE unabhängig von Tempo, Fähigkeit und Reaktion des Fahrers stoisch Kurs und bremst kontrolliert bis zum Stillstand herunter. So bleibt auch der ungeübte Fahrer im Wortsinne immer auf der sicheren Seite.

Und künftig sollen die Regelsysteme noch schneller reagieren können. Auf Basis einer neuen „MB.OS Plattform“ soll die aktuelle Architektur mit ihren vielen Steuergeräten und Leitungen durch eine zentrale Software ersetzt werden. Darüber hinaus lässt sich das Fahrerlebnis noch feiner und weiter spreizen - von hochkomfortabel bis sportlich-dynamisch - wenn die Fahrdynamik über die verschiedenen Aktuatoren zentral koordiniert wird.

Apropos EQE: Grundsätzlich unterscheidet Mercedes bei seinen Sicherheitsansprüchen nicht zwischen verschiedenen Antriebssystemen, egal ob Verbrennungs-, Hybrid- oder Elektroantrieb. Das belegen die Euro-NCAP-Crashtest-Ergebnisse, bei denen der EQS bereits die Auszeichnungen „Best in Class“ des Jahrgangs 2021 in den Kategorien „Oberklasse“ und „Pure Electric“ einheimsen konnte. Auch der EQE erhielt mit der Maximalnote von fünf Sternen im Euro-NCAP-Sicherheitsrating eine Topbewertung. Ein spezielles Augenmerk gilt bei Elektroautos natürlich den stromführenden Komponenten. Zur Vermeidung von Stromschlägen und hochenergetischen Kurzschlüssen haben die schwäbischen Ingenieure ein mehrstufiges Sicherheitskonzept entwickelt, das bei einem potenziell gefährlichen Aufprall das Hochvolt-System automatisch abschaltet. Außerdem sind alle HV-Elemente so weit wie möglich in geschützten Fahrzeugbereichen positioniert.

Dabei können die Konstrukteure und Entwickler auf die konzerneigene Unfallforschung zurückgreifen, die seit ihrer Gründung 1969 mehr als 5000 reale Unfälle wissenschaftlich analysiert und rekonstruiert hat. Das Ziel dabei: Verstehen, wie Unfälle entstehen, wie eine Kollision auf die Insassen wirkt und wie sie hätte verhindert werden können. Und weil das Unfallgeschehen überall auf der Welt anders ist, gibt es ebenso Mercedes-Benz-Teams in China und Indien, die sich mit Hilfe von Augmented Reality mit den Teams in Sindelfingen schnell austauschen können.

Ziel aller Weiterentwicklungen und Verbesserungen der Sicherheits- und Assistenzsysteme ist nach wie vor die „Vision des unfallfreien Fahrens“, die Mercedes bis 2050 Realität werden lassen will. Konkret bedeutet das: Null Verkehrstote bis 2050 und eine Halbierung der Anzahl von Verkehrstoten und Schwerverletzten bis 2030 im Vergleich zu 2020. Allerdings weiß der Autobauer auch: Um die „Vision Zero“ zu erreichen, müssen viele unterschiedliche Disziplinen und Institutionen zusammenarbeiten, von Verkehrs- und Stadtplanern über Straßenverkehrsbehörden bis hin zu Gesetzgebern. Immerhin: im Koalitionsvertrag der deutschen Bundesregierung ist die Vision ebenso verankert, wie sich die World Health Organization (WHO) diesem Ziel verschrieben hat. (Frank Wald, cen)

Veröffentlicht am 20.10.2022

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