2019-07-02 13:46:00 Automobile

Bosch baut Spielverderber gegen E-Bike-Tuning ein

Die Zivilstreife im rheinischen Leichlingen staunte nicht schlecht, als sie von einem E-Bike überholt wurde. Mit gut 40 km/h zog das Fahrrad an den Polizisten vorbei, die nach einer kurzen Verfolgungsfahrt den Grund für die rasante Fahrt herausfanden. Das Bike war von seinem Besitzer nach allen Regeln der (illegalen) Kunst getunt worden. Der Fahrer hat jetzt ein Problem. Nachdem die Polizisten das Rad als S-Pedelec (bis 45 km/h) eingestuft hatten, und der Mann weder den notwendigen Versicherungsschutz noch einen Führerschein besaß, erwartet ihn nun ein Strafverfahren.

E-Bike-Tuning hat sich parallel zum Erfolg der elektrisch unterstützten Räder zu einem lukrativen Geschäft entwickelt. Google spuckt nach 0,36 Sekunden rund 41 Millionen Artikel zum Thema aus, und darunter befinden sich viele Anbieter, die ihre Dienste anbieten. Inzwischen wirbt auch ein Fachmagazin zum Thema E-Bike Tuning auf Google. „Wir wissen nicht genau, wie viele Bikes getunt sind, doch die Schätzungen liegen bei zehn bis 30 Prozent,“ erklärt Claus Fleischer, Geschäftsführer von Bosch e-Bike Systems.

Die Tuning-Anbieter wissen, dass sie sich auf einer juristischen Gratwanderung befinden und sichern sich daher entsprechend ab. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen verweisen die Unternehmen darauf, dass diese Räder nicht im Straßenverkehr und nur auf privatem Gelände bewegt werden dürfen. „Nach dem Produkthaftungsgesetz müssten diese Hersteller eigentlich beobachten, ob ihre Produkte dem Einsatzzweck entsprechend eingesetzt werden. Ich bezweifle jetzt einfach, dass es in Deutschland so viele private große Grundstücke gibt, dass diese Räder nur dort gefahren werden“, kritisiert Fleischer.

Die zumeist kleinen Manufakturen greifen in die Elektronik ein und überwinden so die Temposperre, die bei 25 km/h die elektrische Unterstützung einstellt. Bisher haben sich die Aufsichtsbehörden noch nicht dem Thema angenommen. Weil Bosch und die anderen Hersteller um den Fahrradstatus der elektrisch unterstützten Räder fürchten und weitere Regulierungen vermeiden wollen, haben sie den Tunern jetzt den Kampf angesagt. Damit reagieren die Unternehmen auf die aktuelle europäische Norm EN 15194:2017 für elektro-motorisch unterstützte Fahrräder, die vom Modelljahr 2020 an gilt. „Jeder Hersteller muss diese Norm erfüllen. Wie er das erreicht, bleibt ihm vorbehalten“, erklärt Fleischer. „So wird das Volumen der Räder, die sich zum Tunen eignen, deutlich reduziert.“

Vom kommenden Modelljahr an erkennt zum Beispiel eine von Bosch entwickelte Software, ob der Antrieb für zusätzliche Leistung manipuliert wurde. Eine Sensorik registriert während der Fahrt nach rund anderthalb Stunden, dass eine Manipulation vorliegt. Sie wird dem Fahrer über einen Fehlercode im Display angezeigt und der elektrische Rückenwind auf den Notlaufbetrieb heruntergeregelt. Das Fahren wird dann zu einer schweißtreibenden Angelegenheit. Nach 90 Minuten Fahrzeit unter erschwerten Bedingungen kann der Biker den Normalzustand wiederherstellen. Beim nächsten Start erfolgt allerdings erneut wieder eine Manipulationsabfrage, und nach der dritten Wiederherstellung kann nur noch der Fachhhändler den Notlaufbetrieb beenden. Insgesamt kann der Händler dreimal den Normalbetrieb wiederherstellen. „Danach geht nichts mehr, und man braucht man einen neuen Motor,“ erklärt Fleischer.

Das Bosch Diagnostic Tool ist ein echter Spaßverderber, denn selbst, wenn das Tuning-Kit vor der Wartung beim Händler abgebaut worden ist, kann die Software den unerlaubten Eingriff erkennen. Auch bei älteren Rädern kommt das System dem Täter auf die Spur, wenn die Händler ein Softwareupdate aufspielen. „So können wir nach und nach auch ältere Räder mit der Anti-Tuning-Software ausstatten“, blickt Fleischer in die Zukunft.

E-Bike-Tuning ist kein Kavaliersdelikt, denn das aufgerüstete Bike verliert seinen Status als Fahrrad und mutiert zu einem Kleinkraftrad mit Versicherungs- und Führerscheinpflicht. Anzeigen wegen Fahrens ohne Führerschein und wegen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz können die Folge sein. Mögliche Konsequenzen sind Geld- und Freiheitsstrafen und bei Unfällen zivilrechtliche Verfahren. (ampnet/ww)

Veröffentlicht am 02.07.2019

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