2024-06-04 15:46:00 Automobile

Produktion des Explorer: Warum die Arbeit im Ford-Werk nicht weniger wird

Carzoom.de
Fotos: Autoren-Union Mobilität/Ford

Die Halle Y im Ford -erk in Köln-Niehl: Noch läuft das Band relativ langsam. Die fertig lackierten Karosserien werden hier mit allem komplettiert, was ein Elektroauto braucht. Das vormontierte Fahrgestell mit Elektromotoren vorn und hinten, Bremsen Aufhängung, Stoßdämpfern, Achsen und Batteriepack in der Mitte, kommt von unter heran. Bei der „Hochzeit“ wird es mit der lackierten Karosserie verschraubt: „Beim Fiesta waren das sechs Schrauben, beim Explorer sind es 58. Soviel zu der Frage, ob Elektroautos leichter zu fertigen sind“, sagt Joch Bruckmann. Er organisiert den Anlauf des neuen Ford Explorer im Werk Köln. Heute wurde das erste Exemplar gebaut, der auch an einen Endkunden geht. SOP, Start of Production heißt das im Industriejargon.

Die Hochzeit ist nicht die einzige Station in Halle Y, wo die Montage komplizierter geworden ist, seit hier vor zwei Jahren der letzte Ford Fiesta vom Band lief. Auch die Qualitätssicherung musste aufrüsten: Bevor Antrieb und Karosserie miteinander vereint werden, kontrollieren Kameras und Laserscanner ob Schraubverbindungen sitzen, die Clips von Schläuchen, Kabeln und Stecker richtig eingerastet sind. „Bei der Kontrolle hilft uns künstliche Intelligenz. Sie lernt ständig dazu“, sagt Bruckmann. So wird aus einem erfahrenen digitalen Mitarbeiter ein unfehlbarer.

Wo beim Drei-Zylinder-Motor des Fiesta ein einfaches Ventil das warme Wasser des Motors zum Heizen der Innenraums umleitete, hat der Ford Explorer ein komplexes Thermomanagement mit Wärmepumpe, die bei Bedarf auch in der Batterie für wohlige Temperaturen sorgt. „Für uns in der Montage ist der Explorer nicht einfacher zu fertigen als der Fiesta. Im Gegenteil“, sagt Bruckmann. Im Rekordjahr 2019 wurden in der Halle Y in drei Schichten 2200 Fiesta montiert – am Tag. Derzeit laufen hier täglich 250 Explorer vom Band. 640 sollen es im Zweischichtbetrieb einmal sein. Mehr als 1000 Mitarbeiter sind dann in der Endmontage des Explorer beschäftigt. Zu Fiesta-Zeiten waren es nur 750.

Bis zu 250.000 Explorer, einschließlich der geplanten Coupé-Variante, sind theoretisch pro Jahr möglich. Ob es einmal so viele werden, hängt entscheidend vom Markt ab. Dort ist die Nachfrage derzeit eher verhalten. „Manche sagen, wir sind zu spät dran mit dem Explorer, andere sagen, wir sind zu früh. Ich sage, wir kommen genau richtig“, sagt Rene Wolf, Geschäftsführer Produktion bei Ford. „Würden wir hier noch den Fiesta bauen, hätten unsere Mitarbeiter hier keine gute Zukunftsperspektive.“

13.000 Menschen beschäftigt das Kölner Werk. 1931 am Rhein erbaut, war es zeitweise die produktivste Autofabrik Europas. Jetzt ist es das erste Ford-Werk weltweit, das nur elektrische Autos fertigt. Nicht nur der Fiesta, auch die Motorenproduktion ist aus Köln verschwunden. Trotzdem soll die Zahl der Beschäftigten nicht sinken, sagt Produktionschef Wolf: Mehr als 3000 sollen den neuen Explorer bauen, weitere 300 in der zweiten Jahreshälfte mit der Batteriefertigung beginnen.

Derzeit bezieht Ford die Batterien, wie auch die Motoren, von Volkswagen. Der Explorer basiert technisch auf der MEB-Plattform des VW-Konzerns, wie der ID 4, Audi Q4 oder Skoda Enyaq. Allerdings bekommt der ID 4 die neue Technik, die der Ford heute schon nutzt, erst in einigen Monaten, wenn das Modell überarbeitet wird. So kann die Batterie des Explorer in 26 Minuten von 10 auf 80 Prozent geladen werden.

Mit dem Explorer geht Ford ein hohes Risiko ein, denn das Modell trifft zumindest in Deutschland auf einen Markt, der von Elektroautos derzeit nicht viel wissen will. Das würde Anne Lena Strigel gerne ändern. Sie ist verantwortlich für den Explorer-Vertrieb in Europa. „Wir müssen die Kunden auf dem Weg der Transformation mitnehmen“, sagt sie. Der Handel soll verstärkt Probefahrten anbieten, denn wer einmal in einem Elektroautos gefahren sei, steige so schnell nicht mehr aus.

Der Preis des Explorer, 45.000 Euro soll die Version mit großer Batterie und 600 Kilometern Reichweite kosten, sei nur auf den ersten Blick hoch, so die Vertriebs- und Marketing-Expertin: „Jedes Modell ist praktisch voll ausgestattet, zum Beispiel mit 19-Zoll-Alufelgen, elektrischen Sitzen mit Massagefunktion und beheiztem Lenkrad.“ Die Aufpreisliste ist kurz. Dadurch relativiert sich der Preisabstand zu vergleichbaren Verbrennermodellen. In der Halle Y sind sie jedenfalls zuversichtlich, dass sich der Explorer gut verkaufen wird. (aum/gr)


Veröffentlicht am 04.06.2024

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